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Expertin erklärt

Symptome und Behandlung von Epilepsie bei Hunden 

Epilepsie gehört bei Hunden zu den häufigsten Erkrankungen des zentralen Nervensystems und kann bei den Tieren in jedem Alter auftreten
Epilepsie gehört bei Hunden zu den häufigsten Erkrankungen des zentralen Nervensystems und kann bei den Tieren in jedem Alter auftreten Foto: Getty Images / Martina Cross
Dennis Agyemang
Redakteur

09.01.2024, 15:41 Uhr | Lesezeit: 9 Minuten

Epilepsie gibt es nicht nur bei uns Menschen, sondern auch bei Hunden, etwas seltener bei Katzen. Die Krankheit kann bei Hunden in jedem Alter vorkommen und gilt somit als eine der häufigsten neurologischen Erkrankungen. PETBOOK sprach mit einer Expertin über Epilepsie bei Hunden und worauf Halter achten sollten.

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Es geschieht urplötzlich: Der Körper des Hundes versteift, dann fällt er um, verliert das Bewusstsein. Der ganze Körper zuckt unkontrolliert, die Beine paddeln durch die Luft. Einige Tiere winseln und speicheln stark dabei. So oder so ähnlich können epileptische Anfälle bei Hunden aussehen. In jedem Fall sind die für Halter immer furchtbar. Tierärztin Dr. Vanessa Herder sprach mit PETBOOK über die wichtigsten Dinge der Epilepsie bei Hunden, die Halter wissen sollten.

Was passiert bei einem epileptischen Anfall?

Doch was passiert eigentlich bei einem epileptischen Anfall? Wenn man sich das Gehirn eines Hundes – stark vereinfacht – wie einen Computer vorstellt, dann kann es aus unterschiedlichen Gründen zu einem „Kurzschluss“ kommen. Dabei sendet das Gehirn plötzlich falsche und auch viel zu viele Signale an den Körper. Das überfordert den Rechner. Diese fehlerhaften Signale können dann dazu führen, dass der Hund unkontrollierte Bewegungen macht, zittert oder sogar das Bewusstsein verliert.

Während eines solchen Anfalls sind bestimmte Bereiche des Gehirns überaktiv, was dann zu den beobachtbaren Symptomen führt. Hier spricht man dann von einem epileptischen Anfall. Allerdings können diese unterschiedlich schwer sein und unterschiedliche lange dauern: von einigen Sekunden bis hin zu wenigen Minuten ist alles möglich. Dabei hängt es von Länge und Schwere ab, wie viel dabei im Gehirn zerstört wird und welche gesundheitlichen Folgen daraus entstehen.

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Epileptische Anfälle bleiben oft unentdeckt

Nach einem epileptischen Anfall sind die Hunde oft erschöpft, müde oder desorientiert. Da so ein Anfall manchmal nur wenige Sekunden dauern kann und nicht zwangsläufig mit dem Verlust des Bewusstseins oder sichtbaren Symptomen einhergeht, ist es keine Seltenheit, dass Haltern diese Anfälle entgehen und sie somit zunächst unbemerkt bleiben. Denn bei manchen Tieren kann es nämlich nur ein kurzes Zucken im Gesicht sein.

Wie bei Menschen kann es auch bei Hunden vorkommen, dass es nur einmal im Leben zu einem Anfall kommt und danach nie wieder. „Das ist ganz wichtig, abzugrenzen“, erklärt Tierärztin Dr. Vanessa Herder im Gespräch mit PETBOOK. So spreche man bei Menschen und Tieren, die nur ein- bis zweimal im Leben einen epileptischen Anfall erleiden, nicht von „Epileptikern“.

Warum es zu diesen Anfällen kommt, konnte bisher noch nicht eindeutig geklärt werden. Doch was man weiß ist, dass es bestimmte Reize gibt – auch „Stimuli“ genannt– die bei Epileptikern einen Anfall auslösen können, sagt Dr. Herder.

Diese Reize können bei Hunden epileptische Anfälle auslösen

„Stimuli sind in der Regel visuell. So wie man das vielleicht auch schon mal bei Menschen gehört hat. Blinkende Lichter oder auch bestimmte Reize über das Hören. Also ungewöhnliche oder bestimmte Geräusche können einen Anfall triggern. Es können aber auch Berührungen sein. Das sind so die wichtigsten drei Stimuli, die – je nach Patient – den epileptischen Anfall ausgelösten können.“

So gäbe es durchaus Tiere, die schon durch bloße Berührungen wie leichtes Streicheln epileptische Anfälle bekommen könnten. „Ich habe das mal bei einer Katze gesehen“, so die Medizinerin. Gerade für die Halter ein schlimmer Umstand. „Epileptische Erkrankungen sind, wenn man so will, nicht nur eine Erkrankung des Tieres, sondern auch für die Besitzer wirklich sehr, sehr schwer.“ Denn Halter können dabei nur tatenlos zusehen und hoffen, dass der Anfall schnell wieder vorbeigeht. Auch wenn es unglaublich hart ist, sollten Besitzer unbedingt vermeiden, das Tier während eines epileptischen Anfalls zu berühren – auch zur eigenen Sicherheit.

Halter sollten den Hund während eines Anfalls nicht anfassen

„Manchmal machen die Tiere dabei so unkontrollierte Bewegungen, dass Hunde oder Katzen dabei um sich beißen. Das machen sie nicht böswillig, sondern sie sind mitten im Anfall, weil das Nervensystem einfach unkontrolliert feuert und dann schnappen sie um sich. Dabei kann es passieren, dass der Besitzer, der nur helfen, die Katze oder den Hund festhalten oder beruhigen möchte, dann gebissen wird.“

Daher sollte man wirklich nur im absoluten Notfall körperlich eingreifen, etwa wenn eine noch größere Verletzungsgefahr abgewendet werden muss. Beispielsweise wenn der Hund währenddessen vom Bett oder der Couch zu fallen droht oder sich den Kopf an Tisch, Schrank oder Badewanne anschlagen könnte. Dennoch ist es wichtig, sich dabei bestmöglich zu schützen und kein Risiko einzugehen.

Grundsätzlich sollte man nicht versuchen, den Anfall zu stören oder dem Tier Gegenstände in den Mund zu stecken, die verhindern sollen, dass es sich auf die Zunge beißt, rät die Tierärztin. Dadurch könne man den Anfall eventuell sogar verschlimmern. „Es ist wichtig, dem Tier nicht noch zusätzlichem Stress auszusetzen, weil ich während eines Anfalls noch in der Mundhöhle zugange bin. Möglicherweise störe oder verlängere ich mit meinem Eingreifen nämlich den Anfall.“

Verhaltensänderungen können ein Indikator sein

Auch wenn es für Tierhalter nicht immer ganz offensichtlich ist, ob oder wann der nächste Anfall kommt, so gibt es zumindest einige Anzeichen, auf die geachtet werden kann, sagt Dr. Herder. Gerade Haltern, die ein enges Verhältnis zu ihrem Tier haben, fallen in der Regel die kleinsten Veränderungen im Verhalten ihres Vierbeiners auf. Beispielsweise wenn der Hund für längere Zeit „stumpf ins Leere“ schaut. „Bei Epilepsie ist es wichtig, alle Symptome auf dem Radar zu haben oder sich bewusst zu sein, dass es alles sein kann. Von Muskelzuckungen über einfach nur dasitzen und gar nichts machen oder Krämpfe haben. Manche zeigen auch nur dieses im Kreis drehen oder nach imaginären Fliegen schnappen.“

Da Epilepsie relativ häufig in Gehirnregionen vorkommt, die mit Emotionen verbunden sind, sei es oft so, dass die Tierbesitzer eine Verhaltensänderung feststellen, erklärt Vanessa Herder. „Es gibt einen Anfall – mehr oder weniger stark – plus eine Verhaltensstörung. Plötzlich ist der Hund ängstlicher oder aggressiver als gewöhnlich. Manchmal kommen die Tierbesitzer und bemerken eine Verhaltensänderung, was auch ein Anzeichen sein kann.“ Dennoch sei hier bisher nicht klar, was zuerst da war: „Also ist die Verhaltensänderung eine Ursache für die Epilepsie oder ist die Epilepsie die Ursache für die Verhaltensänderung? Es geht oft Hand in Hand.“

Epileptische Anfälle können für Hunde tödlich sein

Da während eines Anfalls das ganze Nervensystem übererregt ist, kann es vorkommen, dass die Hunde Blase und den Schließmuskel nicht mehr kontrollieren und halten können und Kot oder Urin absetzen. Halter sollten Verständnis dafür haben und nach einem Anfall schnellstmöglich mit dem Hund zum Tierarzt, um eine Medikation einzuleiten.

Anfälle, die länger als fünf Minuten gehen, können lebensgefährlich sein, sagt die Expertin. Daher sollte man als Betroffener unbedingt den Tierarzt anrufen, wenn der Anfall des Hundes nicht innerhalb von fünf Minuten endet und das Tier bewusstlos bleibt.

Und auch nach einem solchen Anfall können Halter nicht sicher sein, dass es auf dem Weg in die Tierklinik nicht nochmals zu einem Anfall kommt. „Leider ist es nicht vorhersehbar, ob Anfälle in kürzeren oder späteren Abständen kommen. Es gibt nie eine Garantie, dass kein weiterer folgt, nur weil man eben einen hatte. Die Nervenzellen sind so durcheinander gebracht, dass es – je nach Schwere des Anfalls – auch zu einer Reihe von Anfällen innerhalb kurzer Zeit kommen kann.“

„Medikamentenresistenz bei Epilepsie ist ein großes Problem“

Bevor mit dem Arzt über Behandlungsmöglichkeiten gesprochen wird, sei es wichtig auszuschließen, dass die Anfälle nicht mit einer zugrundeliegenden Erkrankung zusammenhängen. „Etwa ein Gehirntumor oder eine andere Infektion des Gehirns, die epileptische Anfälle verursacht.“ Erst danach könne sich für eine Therapiemöglichkeit entschlossen werden. Doch die Sache hat einen unerfreulichen Haken, sagt Dr. Herder: „Das größte Problem ist, dass ungefähr ein Drittel aller Epilepsiepatienten, die keine gefundene Ursache haben, resistent gegen Medikamente sind.“ Diese Resistenz sei ein großes Problem, so die Medizinerin.

Derzeit gebe es für Hunde in Europa drei zugelassene Medikamente, allerdings spreche nicht jeder Hund darauf an. „Wenn der Hund regelmäßige Anfälle hat, also nicht nur einmal, sondern mehrfach, dann bedeutet das eine lebenslange Therapie.“ Das Ziel sei dabei immer anfallsfrei oder zumindest die Anzahl der Anfälle zu reduzieren, um die Lebensqualität des Patienten so hoch wie möglich zu halten, erklärt Dr. Herder.

Wichtig sei hier, dass die Halter dem Tier regelmäßig die verschriebenen Medikamente geben. „Das Absetzen oder die Dosis-Reduktion können dazu führen, dass es danach eine höhere Dosis bedarf. Daher ist die Regelmäßigkeit, das A und O.“ Wichtig sei auch, auszuschließen und zu beobachten, dass keine anderen Grunderkrankungen wie Nierenschäden zusätzlich auftreten. Dies könnte nämlich dazu führen, dass die Medikamente nicht mehr wirken.

Halter sollten ihre Tiere gut kennen, um Anfällen vorzubeugen

„Es könnte sein, dass das Medikament an sich schon wirkt, aber weil der Patient noch zusätzlich einen Leber- oder Nierenschaden hat, wirkt es dann nicht mehr. Deshalb ist es sehr wichtig, die Tiere regelmäßig untersuchen zu lassen, um sicherzustellen, dass die Medikamente, wenn sie wirken, auch wirklich wirken.“

Doch wie können Halter Anfällen bei ihren Tieren vorbeugen? Da gibt es durchaus Möglichkeiten, sagt Dr. Vanessa Herder im Gespräch mit PETBOOK. Voraussetzt die Halter kennen ihr Tier so gut, dass sie einschätzen können, welche Reize einen Anfall auslösen können. „Wenn ich weiß, dass es Geräusche sind, die Anfälle bei meinem Hund triggern, dann kann man darauf achten. Es gibt aber auch Fälle, in denen es Tierbesitzern nicht gelungen ist zu sagen, ob das Tier mehr auf visuelle, auditive oder taktile Reize regiert. Dann ist es natürlich schwierig vorzubeugen.“

Manche Halter nehmen bei Hunden mit Epilepsie – ähnlich wie bei Menschen – eine Art Aura wahr, die sie umgebe, kurz bevor es zu einem Anfall kommt, erklärt Dr. Herder. „Es gibt einige Tierbesitzer, die das wohl sehen können.“ Da die Prognose bei Hunden mit dieser Erkrankung von so vielen verschiedenen Faktoren wie beispielsweise Grunderkrankungen, Häufigkeit der Anfälle oder auch Wirkung der Medikamente abhängt, lässt sich keine allgemeingültige Prognose geben, sagt Herder. „Die klinischen Symptome sind von ganz minimal bis ganz schwer – und so ist auch die Prognose.“

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Quellen

Themen Hundekrankheiten
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