
29. April 2025, 17:06 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten
Viele stellen sich Tierheime als eine Art Gefängnis für Tiere vor. Laut, psychisch herausfordernd und auch irgendwie mit einem Stigma belastet. Ein Ort, von dem – auch wenn dort tolle Menschen arbeiten – Hunde am liebsten schnell wieder wegwollen. Bei einigen geht dies allerdings schneller als bei anderen. Und dann gibt es die Langzeitinsassen, für die sich scheinbar nur schwer neue Halter finden.
Früher, bevor ich mich mit dem Tierschutz beschäftigt habe, habe ich mir Tierheime wie eine Art Gefängnis für Tiere vorgestellt. Allerdings weniger wegen des Konzepts von Schuld, Strafe oder schlimmen Taten, sondern eher als einen düsteren, vergitterten Ort, von dem Tiere schnell weg möchten. Zwar bedeuten Tierheime für viele Vierbeiner Stress. Dennoch weiß ich mittlerweile, dass diese Vorstellung zu kurz gegriffen ist. Und auch, dass die Menschen, die in den Tierheimen arbeiten, täglich ihr Bestes geben, um ihren Schützlingen zu helfen, ein gutes Zuhause zu finden.
Deutsche Tierheime arbeiten seit Jahren am Limit
Allerdings sind die Tierheime bundesweit seit Jahren extrem unterfinanziert und das Personal längst am Limit. Deshalb konnten uns einige Tierheime leider nicht sagen, welche Hunde am längsten bei ihnen leben. Während einige Tiere das Tierheim im Handumdrehen wieder verlassen und in eine neue Familie kommen, gibt es auf der anderen Seite die Langzeitinsassen. Sie verbringen oft Jahre, wenn nicht sogar ihr ganzes Leben im Tierheim. PETBOOK wollte wissen, welche Hunde in deutschen Tierheimen besonders lange sitzen und wer den traurigen Rekord für den am längsten im Tierheim sitzenden Hund in Deutschland hält.
Da es hierzulande kein einheitliches Register der Tierheimbewohner gibt und die Tierheime unabhängig voneinander arbeiten, haben wir uns nur auf die größeren Einrichtungen konzentriert. Daher sind die Ergebnisse der Recherche nicht repräsentativ. Sie bestätigen jedoch, was auch viele Tierschützer beschreiben: Vor allem Hunde mit schwarzem Fell, Herdenschutzhunde und Rassen, die als Listenhunde gelten, gehören zu den Langzeitinsassen Deutschlands.
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Turco aus München – seit fast 10 Jahren im Tierheim
„Tatsächlich sind mittlerweile fast zwei Drittel unserer Hunde mittelschwer bis schwer vermittelbar und monate- bis jahrelang hier“, erklärt Kristina Berchtold vom Tierheim München auf PETBOOK-Anfrage. „Unser längster Tierheimbewohner ist Kelpie-Mischling Turco. Er ist mittlerweile seit fast zehn (!) Jahren bei uns.“
Damit ist er nicht nur der Bewohner, der am längsten im Tierheim der bayerischen Hauptstadt lebt, sondern führt auch den traurigen Rekord deutschlandweit unter den befragten Tierheimen. Doch Turco sei alles andere als ein Anfängerhund. „Er wurde wegen seiner Unsicherheit und wegen der Verteidigung von Ressourcen in ein Trainingsprogramm integriert und war zeitweise bei seiner Trainerin untergebracht. Hier hat er sich im häuslichen Bereich deutlich stabilisiert und konnte gut in das Alltagsleben integriert werden.“

Zwar liebten seine Gassigeher Turco sehr, „der mit zunehmendem Alter auch ruhiger und besser händelbar geworden ist.“ Dennoch brauche es hier einen Hundekenner, der bereits Erfahrungen mit schwierigen Hunden sammeln konnte und ihm eine sensible und souverän-konsequente Führung bieten kann, sagt das Münchner Tierheim.
Sammy aus Hamburg – wartet seit 9 Jahren auf neue Familie
„In Hamburg haben es Listenhunde leider politisch sehr schwer“, erklärt Pressesprecher Sven Fraaß vom Hamburger Tierschutzverein auf PETBOOK-Anfrage. Der traurige Rekordhalter sei dort aber Schäferhund-Mischling Sammy. Der 14-jährige Rüde kam 2016 als behördliche Sicherstellung wegen eines Beißvorfalls ins Tierheim. Seither wartet er auf ein neues Körbchen in einem liebevollen Zuhause.
Den Wesenstest, den er aufgrund des Beißvorfalls ablegen musste, habe er erfolgreich bestanden. „Sammy hatte in der Vergangenheit viele gute Strategien entwickelt, um sich in unserer Gesellschaft adäquat zu verhalten – aber auch solche, die gefährlich sein können“, heißt es dazu auf der Website. Daher benötige er sehr hundeerfahrene Menschen in einem ländlichen Zuhause.

„Natürlich wurde viel dafür getan, damit Sammy sich weiterentwickelt und somit bessere Möglichkeiten für eine erfolgreiche Vermittlung bekommt“, erklärt das Tierheim. „Er hat sich zu einem folgsamen, führbaren, ausgeglichenen, eher unscheinbaren Hund entwickelt, der aber trotzdem weiterhin ernst genommen werden muss.“
Frauke aus Berlin – kam vor knapp neun Jahren ins Tierheim
Laut Website ist Staffordshire-Terrier-Mix-Dame Frauke die am längsten im Berliner Tierheim lebende Hündin. So sucht die etwa 12-jährige Frauke seit knapp 9 Jahren von dort aus nach einem neuen Zuhause. Doch das ist kein leichtes Vorhaben. Denn wie es auf der Website heißt, zähle die hübsche Hündin zu den großen Sorgenkindern des Berliner Tierheims. „Da sie (…) sofort merkt, wenn jemand unsicher ist, sucht sie wirkliche Hundekenner, die sie souverän führen und konsequent mit ihr umgehen können.“
Die Herausforderungen im Zusammenleben mit Frauke – die übrigens in vielen Bundesländern als Listenhund geführt wird – liegt weniger bei gemeinsamen Spaziergängen, sondern eher im Innenbereich der Wohnung. Denn Frauke seien ihre eigenen Ressourcen wahnsinnig wichtig – beispielsweise ihre Liegeplätze und ihr Futter. „Sie duldet selbst ihre Bezugspersonen im Tierheim nicht in ihrem Innenbereich. Deshalb benötigt sie unbedingt ein eigenes Hundezimmer, das mit einem Türgitter vom Rest der Wohnung getrennt ist.“
Konkret sei hier das richtige Management unabdingbar. So sollte Frauke „nicht auf die Couch oder aufs Bett, sondern müsste gerade in der Phase des Einlebens von der ersten Minute an mit sehr klaren Regeln vertraut gemacht werden, damit sie keine Ressourcen für sich beansprucht, die nicht für sie gedacht sind.“
Denn vom Prinzip des „Teilens“ sei die Vierbeinerin alles andere als überzeugt. Doch „wenn sie ein eigenes Zimmer hat, in das sie sich zurückziehen kann und man das richtige Management beim Füttern beachtet, wird das Zusammenleben mit ihr aber nach der Eingewöhnung sehr entspannt laufen.“
Thor aus Karlsruhe – wartet seit 6 Jahren
Erschreckend! Sechs Jahre ist es nun her, dass American-Staffordshire-Terrier-Mischling Thor als Fundhund ins Karlsruher Tierheim kam und dort nie wieder abgeholt wurde. Doch nicht nur das. Er wartet noch immer auf ein neues Zuhause.
Und auch wenn sechs Jahre für einen Hund eine extrem lange Zeit sind und bei den meisten in etwa ein halbes Hundeleben darstellen, so bringt es Thor in diesem Ranking nur auf Platz vier. Der hübsche Rüde hat seine Verhaltensprüfung bestanden und sucht nun ein tolles Zuhause bei verantwortungsvollen Personen. Wichtig sei hier, dass Thor konsequent und einfühlend trainiert wird und die neuen Halter kinderlos sind. Dabei hat das Tierheim für die möglichen neuen Halter schon ein paar Beschäftigungsvorschläge: „Thor liebt es mit der Nase zu arbeiten, daher bereitet ihm die Fährtenarbeit große Freude.“


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Alfi aus Nürnberg – ist im Tierheim alt geworden
„Alfi ist alt geworden … im Tierheim😢!“ Diesen tieftraurigen wie auch treffenden Satz schreibt das Tierheim Nürnberg auf seiner Seite und verweist auf Kangal-Rüden Alfi. Dieser ist ungefähr sechs Jahre alt und hat quasi sein ganzes bisheriges Leben im Tierheim verbracht. „Mit gerade mal acht Monaten ist er aus schlechter Haltung ins Tierheim gekommen.“
So hätten sich seine vorherigen Halter den Welpen unüberlegt angeschafft und das mit verheerenden Folgen: „Dort musste Alfi im Garten angebunden seine erste Lebenszeit verbringen. Jetzt ist er fast sein ganzes Leben im Tierheim.“ Ein Umstand, der traurig und betroffen macht. Daher möchten die Pfleger und Pflegerinnen nicht die Hoffnung aufgeben, dass es für Alfi doch noch ein Happy End geben könnte.

Daher ihr Wunsch an die nächsten Halter: „Alfi sucht einen Platz bei Kangalliebhabern und Menschen mit viel Erfahrung mit Herdenschutzhunden!“ Allerdings nur mit Familienanschluss und nicht auf einen Autoplatz oder ähnlichem. „Man muss Alfi kennenlernen und Zeit geben, sowie ihm körperlich gewachsen sein.“
Insgesamt fragte die PETBOOK-Redaktion über 20 Einrichtungen in ganz Deutschland an. Leider meldeten sich nur wenige der Tierheime direkt zurück. Der häufigste Grund für eine Absage war die geringe Kapazität der Mitarbeiter, weshalb die Redaktion auch in Eigenrecherche Langzeitinsassen der entsprechenden Tierheime ermittelt hat.
Sie haben Interesse an einem der vorgestellten „Langzeitinsassen“? Dann setzen Sie sich bitte direkt mit dem zuständigen Tierheim in Kontakt. PETBOOK übernimmt keine direkte Vermittlung der Hunde.