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Biologin: »Artenspürhunde sind eine Chance für den Naturschutz in Deutschland

PETBOOK-Interview

Biologin: »Artenspürhunde sind eine Chance für den Naturschutz in Deutschland 

Dr. Mareike Schneider und ihrem Hündinnen Smilla (links) und Majvi (rechts). Die Biologin arbeitet seit 2016 mit ihren Artenspürhunden im NaturschutzFoto: Maximilian Rößner

Artenspürhunde setzen ihre feine Nase im Naturschutz ein. Sie spüren seltene oder bedrohte Arten dort auf, wo Menschen und ihre Methoden weniger erfolgreich sind. Im Interview verrät Biologin Dr. Mareike Schneider mehr über die Arbeit mit ihren beiden Artenschutzhündinnen und warum sie in Deutschland mehr zum Einsatz kommen sollten.

Hunde werden weltweit eingesetzt, um Menschen in den unterschiedlichsten Situationen mit ihren Fähigkeiten zu unterstützen. Als Sprengstoffspürhunde, Diabetikerwarnhunde oder auch Artenspürhunde schaffen sie mithilfe ihrer Nase eine enorme Leistung. Artenspürhunde leisten mit ihrer Arbeit zudem einen wichtigen Teil im Tier- und Artenschutz. Wie Training und Arbeit mit diesen speziell ausgebildeten Hunden aussehen, verrät Dr. Mareike Schneider im PETBOOK-Interview. Die Biologin arbeitet seit 2016 im Naturschutz und bildete ihre Hunde selbst aus. Gemeinsam spüren Mensch und Hund in Deutschland seltene oder bedrohte Arten auf, um dem Artensterben entgegenzuwirken.

Artenspürhunde werden im Naturschutz eingesetzt

PETBOOK: Wo werden Artenspürhunde eingesetzt?
Dr. Mareike Schneider:
„Artenspürhunde werden vor allem im Naturschutz eingesetzt, um seltene oder bedrohte Tierarten oder sogar invasive Tier- und Pflanzenarten zu finden. Häufig sind das Arten, die für uns Menschen schwierig zu erfassen sind, weshalb Hunde zum Einsatz kommen.“

Wie läuft so ein Einsatz ab?
„Abhängig von der Tier- oder Pflanzenart, an der man arbeitet, fällt der Einsatz von Artenspürhunden unterschiedlich aus. Die Suche kann auf einer Fläche wie Wald oder Wiese stattfinden, aber auch in Gebäuden, an oder in denen gesucht wird. Generell ist es immer so, dass Mensch und Hund im Team und mit Sichtkontakt arbeiten. Der Hund wird in die Suche geschickt und soll eigenständig die Art, die er zu suchen gelernt hat, aufspüren und anzeigen.“

Warum haben Sie sich für diese Arbeit mit Ihren Hunden entschieden?
„Ich habe mein Leben lang schon Hunde gehabt und ausgebildet. Das Potenzial von Artenspürhunden habe ich im Rahmen meiner Doktorarbeit erkannt, in der ich mich mit einer schwer zu erfassenden Art beschäftigte. Artenspürhunde stellen für uns Biologen eine ganz neue Methode dar, Tierarten aufzuspüren, die wir als Menschen bisher gar nicht genutzt haben. In vielen anderen Bereichen sind Hunde schon lange kulturhistorisch verankert und ihr Einsatz ist unglaublich vielfältig. Im Naturschutz werden sie dagegen erst seit wenigen Jahren eingesetzt, in Deutschland sogar noch später als im Ausland. Der erste dokumentierte Einsatz war im Jahr 1981, um den fast ausgestorbenen Kakapo, den Eulenpapagei, in Neuseeland aufzuspüren. Mithilfe von Artenspürhunden konnten Biologen die verbliebenen Kakapos lokalisieren, umsiedeln und so vor dem Aussterben bewahren.“

Essenziell für das Training zum Artenspürhund ist der Grundgehorsam

Was macht Artenspürhunde effizienter als andere Methoden?
„Es sind zu vielen Tierarten Erkenntnisse vorhanden, die zeigen, dass ihre Erfassung mithilfe von Artenspürhunden effizienter ist. Pauschalisieren kann man die Effizienz der Hunde jedoch nicht. Denn das ist abhängig von der gesuchten Tierart und davon, wie gut der Hund eine bestimmte Tierart aufspüren kann. Ausschlaggebend ist auch, wie gut diese Tierart Geruch abgibt oder wo sie sich bewegt. Vögel zum Beispiel sind schwieriger zu erfassen, weil sie ständig ihren Ort wechseln und wenig Geruchsspuren abgeben. Dass Hunde effizienter sind, liegt an ihrer außergewöhnlichen Nase. Als sogenannter „Nasenjäger“ ist der Hund mit seinem ganzen Verhalten darauf ausgelegt, Spuren von anderen Tieren zu finden. Den Hunden macht es Spaß, ihre Fähigkeiten für diese Aufgabe einzusetzen.“

Wie läuft das Training zum Artenspürhund ab?
„Das Training setzt sich aus verschiedenen Komponenten zusammen. Wichtig ist zunächst ein guter Grundgehorsam, vor allem gegenüber Wild. Denn Artenspürhunde müssen in bestimmten Situationen oft warten und etwas aushalten. Der Rückruf muss besonders in unvorhersehbaren Situationen gut funktionieren – auch zum Schutz des Hundes. Im Training lernt der Hund dann zum einen, den Zielgeruch zu erkennen. Das ist sehr komplex, weil der Hund lernen muss, gleichzeitig zu generalisieren und zu spezialisieren. Das bedeutet zum Beispiel, wenn er nur eine Tierart anzeigen soll, andere Arten, die ähnlich riechen, nicht anzuzeigen. Gleichzeitig soll der Hund alle Individuen, Geschlechter und Altersstufen dieser Tierart anzeigen können. Geruch ist immer eine „Mischung“ und der Hund muss lernen, den gesuchten Zielgeruch aus allen anderen Gerüchen herauszufiltern. Zudem verändert sich der Geruch von Tieren unter bestimmten Witterungseinflüssen. Eine Ausrichtung des Trainings auf den Lebensraum der Art, etwa in der Höhe oder am Boden, ist ebenfalls wichtig.

Auch interessant: Hunde können Stress beim Menschen riechen

Die Nasenleistung von Hunden unterscheidet sich abhängig von der Nasenlänge

Werden dafür tote Tiere benötigt?
„Das Training unterscheidet sich je nach Zielart, also der Tierart, die gesucht werden soll. Das liegt daran, dass man verschiedene Geruchsproben braucht. Trainiert man seinen Hund etwa auf Reptilien, lassen sich dafür beispielsweise Häutungsreste gut nutzen, bei Haselmäusen eignet sich Nistmaterial. Bei anderen Tierarten geht das weniger gut. Mit toten Tierarten arbeiten wir aber in der Regel nicht, weil der Hund in diesem Fall nicht den Geruchstransfer zum lebenden Tier bekommt. Dann lernt er möglicherweise, nur tote Tiere zu suchen. Sollen Hunde gezielt Kadaver suchen, wird natürlich mit toten Tieren trainiert. Ein Beispiel dafür sind Schlagopfer unter Windkraftanlagen oder auch die Suche nach toten Wildschweinen zur Eindämmung der Schweinepest. Wenn mit toten Tieren gearbeitet wird, benötigt man dafür die entsprechenden Genehmigungen.“

Das klingt ja schon recht anspruchsvoll. Welche Voraussetzungen brauchen Artenspürhunde für die Ausbildung?
„Meiner Ansicht nach ist es wichtig, hier von einem Artenspürhunde-Team zu sprechen und den Menschen ebenfalls einzubeziehen. Denn die Voraussetzungen gelten sowohl für den Hund als auch für den Menschen. Der Hund muss eine möglichst hohe Motivation mitbringen, aber auch eine gewisse Frustrationstoleranz, Nervenstärke und Belastbarkeit. Je jünger ein Hund zudem ausgebildet wird, desto besser. Mit mehr Geruchsarbeit werden mehr Geruchsrezeptoren ausgebildet und es steigt auch die Lernbereitschaft des Hundes beim Trainingsbeginn im jungen Alter.“

Weder alle Hunderassen noch alle Menschen eignen sich für diese Arbeit

Gibt es bestimmte Hunderassen, die sich besonders gut als Artenspürhund eignen?
„Generell kann man jeden Hund zum Artenspürhund ausbilden. Einige Rassen eignen sich allerdings tatsächlich besser, das fängt schon bei der Nase an. Je länger die Hundenase, desto besser die Riechleistung. Denn es passen schlicht mehr Riechschleimhaut und Riechzellen in die Nase. Manche Jagdhunderassen sind gut geeignet – dazu gehören Vorstehhunde und Retriever, die führig sind und die nötige Kooperationsbereitschaft mitbringen. Aber auch Mischlingshunde machen sich oft gut. Andere Jagdhunde wie Bracken, die für eine sehr eigenständige Jagd gezüchtet werden, sind eher nicht geeignet.

Neben Hunderassen eignen sich aber auch nicht alle Menschen für diese Arbeit. Wichtige Eigenschaften für Menschen, die sich für diese Arbeit interessieren, sind Motivation und Frustrationstoleranz. Im Artenschutz läuft nicht immer alles so, wie man es sich vorher vorgestellt hat, weshalb man auch Rückschläge einstecken können muss. Einfühlungsvermögen, Geduld und Begeisterung sind für die Hundeausbildung essenziell.“

Welche Eigenschaften bringen Ihre eigenen Artenspürhunde mit?
„Ich habe zwei Hündinnen, die ich selbst ausgebildet habe. Meine ältere Hündin ist die achtjährige Smilla, eine Langhaar-Weimaraner-Hündin. Smilla habe ich während meiner Dissertation zu mir geholt, für den Zweck, sie als Artenschutzhund zu nutzen. Ihre gute Führigkeit, Kooperationsbereitschaft und ihr enormer Findewillen machen sie zu einem herausragenden Artenspürhund. Ich glaube, sie würde arbeiten, bis sie tot umfällt. Gleichzeitig ist Smilla ein toller Familienhund und war mit meinen zwei Kindern von Beginn an ein Herz und eine Seele. Meine zweite Hündin ist ein eineinhalb jähriger Nova Scotia Duck Tolling Retriever namens Majvi. Diese Hunderasse wird für die Entenjagd gezüchtet und ist ebenfalls sehr intelligent, führig und gelehrig. Manchmal muss ich im Training schauen, dass sie nicht schneller als ich ist. So nach dem Motto, wer trainiert hier eigentlich gerade wen? Majvi ist wie ein kleiner Torpedo bei der Arbeit.“

Ihre Artenspürhunde hat Dr. Schneider selbst ausgebildetFoto: Anna-Lena Funk

Ausbildung für Artenspürhunde abhängig vom Tier

Wie lange dauert das Training eines Artenspürhundes normalerweise?
„Am längsten dauert eigentlich die Grundausbildung des Hundes. Dann stellt sich die Frage, wann mit dem Geruchstraining begonnen wird. Mit der eigentlichen Zielgeruchsarbeit habe ich angefangen, kurz bevor meine Hunde ein halbes Jahr alt waren. Mit ungefähr einem Jahr habe ich beide dann etwa zur Arbeit eingesetzt. Beim Training dieser Hunde muss man als Trainerin schauen, wie erwachsen der Hund vom Kopf her ist. Denn offizielle Vorgaben gibt es nicht. Die Zeit der Entwicklung unterscheidet sich von Rasse zu Rasse. Es ist wichtig, die Hunde nicht zu früh mit zu viel zu überfordern.“

Gibt es ein offizielles Zertifikat oder eine Prüfung?
„Bisher gibt es keines. Im Bereich der Artenspürhunde entwickelt sich gerade ein Zertifikat. Das gestaltet sich jedoch eher schwierig, da die Abnahme von Prüfungen beispielsweise nicht im Lebensraum gefährdeter Tiere geschehen kann. Die praktische Durchführung ist da schwierig. Ich selber bilde auch Artenspürhunde-Teams aus, die bei mir ein Zertifikat erhalten. Aktuell sind sehr unterschiedliche Modelle in der Erprobung, was Zertifizierungen betrifft.“

»Das Artensterben in Deutschland ist spürbar und bedrückend

Gibt es eine Systematisierung der mittels Artenspürhunden erhobenen Daten?
„In Deutschland ist die Anbindung an Universitäten im Vergleich zum Ausland relativ schlecht. Es gibt nur wenige Einrichtungen, die mit diesen Hunden arbeiten oder selber Artenspürhunde führen. Eigentlich bräuchte es viel mehr dieser Hunde, besonders im Rahmen der Forschung. Hoch ist der Bedarf aber auch in der Praxis, sodass sie dort viel eingesetzt werden. Ich arbeite mit meinen Hunden viel in der Feldhamster- und Fledermaussuche. Der Hintergrund bei Feldhamstern ist ein weltweiter und auch in Deutschland bestehender Bestandsrückgang. Diese kleinen Tiere müssen häufig auf großen Flächen gesucht werden, was für die Hunde eine Belastung ist. Die Suche nach Fledermäusen ist ebenfalls anspruchsvoll, da ihre Quartiere oft sehr hoch und gut versteckt sind.“

Hat Deutschland seine bedrohten Arten, wie den Feldhamster, zu wenig im Blick?
„Absolut, dabei ist der Feldhamster noch eine der beliebteren Arten mit einem relativ guten Image. Wir haben hier ganz viele Arten, die nicht auffallen, dazu gehören Fledermäuse und Insekten. Ich glaube, dass viele Menschen realisieren, dass das Artensterben besteht. Aber der Naturschutz wird hierzulande vor allem auf das Ehrenamt abgewälzt. Es müsste aus vollem Bewusstsein und aktiv viel mehr dafür getan und Geld investiert werden. Denn bei meinen Arbeitseinsätzen geht es nicht mehr nur um Artenschutz, sondern darum, den vorhandenen Schaden zu minimieren. Es bräuchte ein totales Umdenken. Wenn man in diesem Bereich arbeitet, ist das Artensterben sehr spürbar und bedrückend. Deswegen sind Artenspürhunde eine echte Chance für den Naturschutz in Deutschland.“

Artenspürhunde lernen Zeichen für verschiedene Tierarten

Wie viele seltene Tierarten kann ein Artenspürhund unterscheiden?  
„Das hängt von ganz vielen Faktoren ab. Vom Hund selbst, seinem Alter, der Ausbildung und davon, wo die gesuchten Arten vorkommen. Smilla arbeitet an Fledermaus, Feldhamster und Haselmaus, erkennt also drei Arten. Zwei davon kommen im gleichen Lebensraum vor, deswegen macht sie unterschiedliche Anzeigen. Majvi unterscheidet bisher zwei Arten, Feldhamster und Haselmaus. Ich persönlich habe lieber Hunde, die zuverlässig weniger Arten anzeigen und diese auch unterscheiden können. Daher würde ich Smilla und Majvi eher als Spezialistinnen bezeichnen. Es gibt aber auch Hunde, die generalistisch ausgebildet sind. Diese leitet man jedes Mal mit einer Geruchsprobe an, damit sie die Hunde nach unterschiedlichen Arten suchen.“

Ihre Hündin Smilla kann verschiedene Dinge anzeigen. Wie zeigen Ihre Hunde an, dass sie eine seltene Tierart gefunden haben?
„Sie kann drei verschiedene Zeichen geben. Wenn sie eine Fledermaus aufspürt, verweist sie darauf, indem sie an eine Fledermaus aus Leder an ihrem Geschirr beißt. Für die Haselmaus setzt sie sich hin, während sie sich für Feldhamster vor dem Bau hinlegt. Welche Zeichen die Hunde erlernen, ist abhängig von den Anforderungen und der Situation.“

»Meine Hunde sind richtige Arbeitstiere

Gibt es Tage, an denen Ihre Hunde „unmotiviert“ sind?
„Ich habe noch nicht erlebt, dass meine Hunde nicht motiviert waren. Da müssten die beiden schon krank sein. Selbst wenn ich mal unmotiviert bin, freuen sie sich, wenn ich nur meine Sachen packe. Smilla und Majvi lieben diese Arbeit.“

Brauchen Ihre Hunde aufgrund ihrer starken Motivation für die Arbeit immer Beschäftigung?
„Ja, die beiden sind schon richtige Arbeitstiere. Besonders Majvi, die jüngere Hündin, fordert von mir Beschäftigung ein, wenn ich mal länger im Büro arbeite. Ich mache mit den beiden dann auch Suchen mit Dummys als Ersatzbeschäftigung. Sie brauchen Beschäftigung und etwas für den Kopf. Smillas Aufgabe zu Hause ist zum Beispiel, den Papiermüll wegzubringen und da hat sie dann immer auch etwas zu tun.“

Welche Erfahrungen sind Ihnen auf Einsätzen mit Ihren Hunden besonders in Erinnerung geblieben?
„Ganz toll war eine Feldhamstersuche unter besonderen Bedingungen. Wir haben im Hochsommer bei großer Hitze eine riesige Fläche abgesucht. Deshalb haben wir früh morgens angefangen. Trotzdem habe ich mir ab einem bestimmten Punkt Sorgen gemacht, ob ich meinem Hund diese Umstände noch zumuten kann. Aber Smilla hat ihre Arbeit herausragend gemacht. Obwohl ich zwischendurch Zweifel hatte, hat Smilla immer weiter gemacht. Von einem Bau zum nächsten und zum nächsten, bis ich entschieden habe, dass wir eine Pause machen müssen. In dieser Situation hat mich mein Hund nachhaltig beeindruckt. Smilla hat eine herausragende Nervenstärke, die mich immer wieder überrascht.“

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