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Mit 150 Jahren erst geschlechtsreif

Unglaublich! So alt wird das langlebigste Wirbeltier der Welt

Ein Grönlandhai schwimmt durchs Eismeer
Grönlandhaie sind faszinierende Bewohner des Atlantiks, die noch wenig erforscht sind Foto: picture-alliance / © Oceans Image/Photoshot | Saul Gonor
Louisa Stoeffler
Redakteurin

04.05.2023, 05:26 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten

Was wird bis zu 5 Meter lang, erreicht die Geschlechtsreife mit 150 Jahren und kann über 500 Jahre alt werden? Richtig, der Grönlandhai.

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Der Grönlandhai (Somniosus microcephalus) ist, wie sein Name schon verrät, in der Region Grönland und in den arktischen Meeren zu finden. Die Tierart ist bislang jedoch nur wenig erforscht. Allerdings ist das, was man bislang über die Tiere weiß, unglaublich spannend. So sind sie höchstwahrscheinlich die ältesten Wirbeltiere auf unserem Planeten und können über 500 Jahre alt werden.

Wissenschaftler datieren Grönlandhaie anhand von „Zeitkapsel“ im Auge der Tiere

Ein Team aus Wissenschaftlern rund um Julius Nielsen, Biologe an der Universität Kopenhagen und dem Grönland Institut für Natürliche Ressourcen, hat es sich zur Aufgabe gemacht, mehr über den Grönlandhai herauszufinden. Dass die Tiere bis zu 500 Jahre alt werden können, fanden die Forscher in einer Untersuchung von 2016 heraus. Darin konnten sie mithilfe einer Radiokarbon-Datierung der Augen von Grönlandhaien deren Alter berechnen.

Die Biologen suchten unter anderem nach den radioaktiven Spuren der Nukleartests in den 1950er- und 60er-Jahren. Diese wurden während des Kalten Krieges von der Sowjetunion und den USA durchgeführt. Die radioaktiven Partikel gelangten auch in die Weltmeere – insbesondere das Bikini-Atoll ist noch stark von den Auswirkungen gekennzeichnet – und belastete auch die Meerestiere. Die Linsen der Grönlandhaie sind bereits bei ihrer Geburt fertig ausgeprägt und verändern sich danach nicht mehr. Sie bilden somit quasi eine Zeitkapsel, die sich anhand von Ereignissen, wie den Atomtests, klar datieren lässt.

Somit können die Wissenschaftler ablesen, welche Proteine und Verunreinigungen die Muttertiere der Grönlandhaie während der Schwangerschaft zu sich nahmen. Die Forscher untersuchten dazu 28 weibliche Tiere und konnten durch die vorhandenen radioaktiven Spuren Berechnungen zum Alter von Grönlandhaien anstellen. Bereits zuvor hatte man herausgefunden, dass die Tiere sehr langsam wachsen und sich das Wachstum besonders im Alter noch einmal auf unter einen Zentimeter pro Jahr verlangsamt. Für die Kolosse mit bis zu fünf Metern Länge ein erstaunlich langsamer Prozess.

Ältester Grönlandhai könnte Zeitgenosse von Kolumbus und Michelangelo sein

Untersucht wurden weibliche Grönlandhaie, denn diese können mit bis zu 5 Metern Länge größer als die Männchen werden. Die 28 beschriebenen Exemplare hatten eine Länge zwischen 82 Zentimetern und 5,02 Metern. Bei dreien der kleineren Exemplare konnten die Wissenschaftler deutliche Anzeichen der Nukleartests im Gewebe der Augen datieren und damit nachweisen, dass sie zur Zeit der Tests oder kurz danach geboren wurden.

So gelang es den Forschern auch bei den beiden größten Exemplaren ein ungefähres Alter zu errechnen. Danach seien Tiere mindestens 335 und 392 Jahre alt gewesen. Sie könnten aber auch bereits 410 und 512 Jahre alt gewesen sein. Dies würde bedeuten, dass der älteste, weibliche Grönlandhai bereits am Leben war, als 1504 Michelangelo seine Statue „David“ der Öffentlichkeit präsentierte und Christoph Kolumbus nach seiner letzten Expedition auf Jamaika gestrandet war.

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Geschlechtsreif mit 150 Jahren

Dass diese rechnerisch mögliche Spanne noch so groß ist, zeigt, wie wenig Daten es über die scheuen Tiere aus der Arktis gibt. Belegt ist jedoch, dass Tiere mit weniger als 3 Meter Länge noch keine hundert Jahre alt sind. Erst ab einer Länge von 4 Metern erreichen die Tiere die Geschlechtsreife. Laut den Daten also mit etwa 150 – 156 Jahren.

Zudem war lange unklar, wie sich Grönlandhaie vermehren. Über einhundert Jahre lang gingen Forscher davon aus, dass die Tiere bis zu 1800 weiche, befruchtete Eier legen. Dies konnte jedoch in einer Untersuchung von 2020 widerlegt werden. Die Tiere sind Ovovivipare, das heißt, ihre Eier schlüpfen noch im Mutterleib und die Nachkommen werden dann lebend geboren. Wie viele Grönlandhaie das Licht der Welt erblicken, ist von der Größe des Muttertieres abhängig. Im Durchschnitt kommen 200 bis 324 Tiere mit einer Länge von 35 bis 40 Zentimetern auf die Welt.

Anders als bei vielen anderen Meerestiere, scheint es bislang zudem unklar, welche Wassertiefe der Grönlandhai bevorzugt. So wurde er bereits in flachen Gewässern mit weniger als 30 Metern Tiefe, aber auch in einer Tiefe von 2992 Metern im Unterwassergebirge des Mittelatlantischen Rückens, wo die Nordamerikanische und die Eurasische Kontinentalplatten aufeinanderstoßen, gesichtet.

Grönlandhaie nutzen Ammoniak als Frostschutzmittel

Seit 2022 ist der Grönlandhai nun von der Nordwestatlantischen Fischereiorganisation (NAFO) geschützt, denn immer wieder landet er in den Netzen von Fischern. Aufgrund des langsamen Wachstums und der späten Geschlechtsreife gehen Biologen davon aus, dass Grönlandhaie zu den bedrohten Tierarten gehören und geschützt werden müssen.

Denn in einigen Ländern, wie zum Beispiel Island, gilt der Grönlandhai leider noch immer als Delikatesse. Die aus dem Grönlandhai zubereitete Speise Hákarl, welche vor dem Verzehr monatelang in einem Erdloch verrottet, wurde 2023 auf der Plattform „Taste Atlas“ zur am schlechtesten bewertete Speise in Europa gekürt. Das Ranking im Überblick lesen Sie bei TRAVELBOOK: Die (un-)beliebtesten Speisen Europas – auch deutsche unter den Verlierern.

Aber warum ist der Grönlandhai – auch als Gammelhai bekannt – so ungenießbar? Dies liegt in der Tatsache begründet, dass das Tier für seine Körpergröße relativ kleine Nieren hat. Daher lagern sich Giftstoffe wie Ammoniak ungefiltert während des gesamten, langen Lebens der Tiere in ihren Körpern an. Für die hat dies aber auch einen positiven Effekt: So wirkt das Ammoniak in ihrem Blut wie ein natürliches Frostschutzmittel, das sie vor den arktischen Wassertemperaturen schützt.

Quellen

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Sonstige Quellen

Themen Meerestiere
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