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Verhalten verstehen

Experte erklärt, warum Krähen und Elstern vermehrt Menschen angreifen

Nebelrähe im Flug
Auch wenn Krähenangriffe verhältnismäßig selten vorkommen, wirken die Vögel auf viele etwas bedrohlich Foto: Getty Images / nieudacza
Dennis Agyemang
Redakteur

24.04.2024, 10:26 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten

Es sind Szenen, die an den Hitchcock-Klassiker „Die Vögel“ aus dem Jahr 1963 erinnern: ahnungslose Passanten, die auf der Straße von Krähen oder Elstern angegriffen werden. Im Sturzflug sausen die Vögel auf ihre Opfer herunter – immer wieder. Vor allem Anfang Sommer häufen sich solche Attacken. Doch was hat es damit auf sich?

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Alleine der Anblick der stattlichen schwarzen Vögel mit den großen, spitzen Schnäbeln wirkt auf viele Respekt einflößend. Da hilft es nicht, dass Medien immer wieder von aggressiven Krähen berichten, die ahnungslose Passanten angreifen1. Letztes Jahr musste im bayrischen Passau sogar eine 32-Jährige in einem Krankenhaus behandelt werden, nachdem die Radfahrerin von einer Krähe angegriffen wurde und beim Versuch auszuweichen, stürzte.2 Vor allem Anfang Sommer scheinen sich Berichte über Attacken zu häufen. Aber was steckt dahinter?

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Das steckt hinter den Angriffen von Krähen auf Menschen

Die im Juni und Juli zunehmenden Vorfälle sind weder Zufall noch Laune der Natur, sondern hängen mit der Brutzeit und den ersten Schritten beziehungsweise Flügelschlägen der Jungvögel in Richtung Selbstständigkeit zusammen. „In der Regel ist es darin begründet, dass sie ihre Brut oder Jungvögel verteidigen wollen“, sagt Martin Rümmler vom Naturschutzbund Deutschland (Nabu) in Berlin.

Ein solches Verhalten sei vor allem von Greifvögeln wie dem Mäusebussard bekannt. Aber auch Rabenvögel wie Krähen oder Elstern können ihr Nest vehement verteidigen, wenn es sein muss. So komme es immer wieder zu Situationen, in denen sich Menschen unwissentlich den Jungvögeln nähern und deshalb von den besorgten Vogeleltern attackiert werden.

Nur selten kommt es zu Verletzungen

Bei den Angriffsflügen kommt es aber nur selten zu direktem Körperkontakt zwischen Mensch und Vogel, heißt es von Experten. Vielmehr gehe es darum, den vermeintlichen Angreifer abzuschrecken und zu vertreiben – ohne Kampf und ohne Verletzungen. Ab einem gewissen Alter der Jungvögel erlischt dieses Beschützerverhalten der Altvögel.

Warum sich in Monaten wie Juni und Juli die Berichte über Krähenangriffe häufen, liegt also zum einen an der Saison. Zum anderen aber auch daran, dass die Krähen-Population in Großstädten zugenommen hat, heißt es vonseiten des Nabu. Demnach sei in den letzten 25 Jahren ihr Brutbestand in Berlin um weit über 50 Prozent gewachsen. Das habe wiederum zur Folge, dass Mensch und Vogel vermehrt aufeinandertreffen.34

Auch Elstern findet man zunehmend in der Stadt. Die Vögel, die ursprünglich vor allem in der offenen Agrarlandschaft hausten, hätten ihren Lebensraum von der Agrarlandschaft in den Siedlungsbereich verlagert, wie Angelika Nelson, Ornithologin beim Landesbund für Vogel- und Naturschutz in Bayern e.V. (LBV) auf PETBOOK-Anfrage mitteilt. Dort seien die Tiere aber nicht nur wegen Angriffe auf Menschen nicht gern gesehen. „Elstern sind laut und auf ihrem Speiseplan stehen auch Eier und Junge anderer Singvögel – eine natürliche Nahrungsquelle, die vor allem im Siedlungsbereich oft in hoher Dichte zu finden ist“, so die Vogel-Expertin.

Es gibt verschiedene Gründe, weshalb Krähen Angriffe fliegen

Allerdings gibt es auch andere Gründe, warum Krähen oder Elstern Sturzflüge auf Menschen und Tiere unternehmen: Zum einen könne es ein ausgeprägter Spieltrieb sein, bei dem die Vögel gezielt Hunde und Katzen ärgern wollten, erklärt der Nabu auf seiner Webseite.

Ein weiterer Grund könne aber auch Futterzahmheit sein. Konkret bedeutet das, dass es Krähen gibt, die Menschen als „Futtergeber“ sehen und dann teilweise aufdringlich um Futter bettelten und auch mal aggressiv werden, wenn es nichts zu futtern gibt. Deshalb raten Experten vom Nabu tunlichst davon ab, Krähen zu füttern, da dies „die Vögel zu aggressiven, Futter verlangenden Tyrannen machen“ könne.

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Wie sollte man sich bei einer Vogel-Attacke verhalten?

Wie sollte man sich verhalten, wenn man in die Nähe von Jungvögeln gekommen ist und die Eltern nun in Angriffshaltung gehen? „Kommt es zu einer Attacke, sollte man sich umgehend zurückziehen (und zwar in die Richtung, aus der man gekommen ist) und nicht weiter in Richtung Kinderstube vordringen“, schreibt Stefan Bosch auf der Seite des Nabu Baden-Württemberg. „Mit zunehmender Distanz nehmen die Attacken in der Regel ab bzw. hören ganz auf.“ Es gebe Hinweise, dass schnelle Bewegung bzw. Fortbewegung – wie Joggen oder Radfahren – Attacken provozieren. Das gilt wohl auch für das Herumfuchteln mit den Armen. Ruhig und geduldig bleiben, raten die Experten und in der Brutzeit Vogelnestern und Jungvögeln gar nicht erst zu nähern.

Porträt Saskia Schneider auf dem PETBOOK Relaunch
Redaktionsleiterin

Meine Erfahrungen mit Krähen in der Stadt

Auf dem Weg zur Arbeit bin ich einem Krähenangriff gerade noch einmal entkommen. An einer Baumscheibe, mitten in der Berliner Innenstadt, saß eine junge Krähe, die aus dem Nest gefallen war. Diese war allerdings so gut getarnt, dass man sie kaum sah. Als meine Hündin und ich uns näherten, damit Yumi ihr Geschäft an der Baumscheibe verrichten konnte, flogen plötzlich von oben zwei Krähen auf einen Ast, der gefährlich nah über unseren Köpfen hing, und krächzten uns aus vollem Halse an. Ich sah das Jungtier und trat sofort den Rückzug an. In dem Fall hatten wir Glück, dass die Eltern laut gewarnt hatten, statt gleich anzugreifen.

Themen Heimische Wildtiere

Quellen

  1. BZ.de, „Krähen-Angriff! Attacken auf Menschen häufen sich“, (aufgerufen am 24.04.2024) ↩︎
  2. WELT.de, „Krähen greifen Frau an – Vogelattacke endet im Krankenhaus“, (aufgerufen am 24.04.2024) ↩︎
  3. Nabu.de, „Rabenkrähen verteidigen ihre Jungen“, (aufgerufen am 24.04.2024) ↩︎
  4. Nabu.de, „Kampfkrähen oder normales Revierverhalten? Warum Nebelkrähen zuweilen Menschen attackieren“, (aufgerufen am 24.04.2024) ↩︎
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