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Jagdtrieb beim Hund abtrainieren: Tipps für Halter

Eine Frage des Trainings

Hund mit starkem Jagdtrieb? Expertinnen geben Tipps für Halter

Übermäßiger Jagdtrieb beim Hund kann Spaziergänge zur Qual machen. Halter können Jagdverhalten mit dem richtigen Training umlenkenFoto: Getty Images

Hunde mit ausgeprägtem Jagdtrieb machen nicht nur den Spaziergang zur Herausforderung. Hat der Hund einmal den sogenannten „Tunnelblick“ und jagt Wildtier oder Fährte hinterher, blendet er Gefahren aus. Für Hundehalter und Tier(e) bedeutet das Stress, der vermeidbar ist.

Der Welpe, der einem Blatt oder Schmetterling hinterherjagt, kann kurze Zeit später einen ausgeprägten Jagdtrieb entwickelt haben. Dann sind Katzen, Wildtiere und in Einzelfällen Fahrradfahrer oder Jogger nicht mehr vor ihm sicher. Das bedeutet für Halter, Hund und Umwelt eine Menge Stress. Einige Hunderassen neigen aufgrund ihrer genetischen Veranlagung und Zucht besonders zu Jagdverhalten. Um etwas dagegen zu tun, müssen Halter die Ursachen dahinter verstehen. Dann lässt sich der Jagdtrieb des Hundes mit dem richtigen Training umleiten. Dabei helfen Antijagdtrainingsmethoden, wie die der Jagdhund-Expertinnen Anja Fiedler in Meerbusch und Alexandra Wischall-Wagner in Baden bei Wien.

Expertin: »Antijagdtraining kann beim Hund in jedem Alter etwas bewirken

Die gute Nachricht vorneweg, mit Training können Halter ihrem Hund übermäßigen Jagdtrieb abtrainieren. „Definitiv kann man etwas machen – auch wenn es sich natürlich um angeborene Verhaltenssequenzen handelt, die durch züchterische Selektion bei den spezialisierten Hunden weiter exponiert wurden“, so Jagdhund-Expertin Anja Fiedler. „Aber alles, was ein Gehirn hat, kann lernen.“ Und Alexandra Wischall-Wagner bestätigt: „In jedem Alter kann man noch etwas bewirken!“

Allerdings: Einfach abschalten lässt sich solch eine Jagdbegeisterung nicht. Wer auf eine schnelle Lösung hofft, wer meint, mit Bestrafung, Gewalt oder gar Elektroschock-Halsbändern könne man etwas erreichen, liegt absolut falsch. Der Schuss könnte dabei sogar nach hinten losgehen. „Ein Hund wird auf solche Reize immer mit noch mehr Stress reagieren“, sagt Wischall-Wagner. Dann zeigt er noch mehr Frust-, Aggressions- und Jagdverhalten.

Jagdtrieb beim Hund verläuft nach einem immer gleichen Muster

Beide Verhaltenstrainerinnen setzen auf andere Methoden als die Bestrafung. Sie lehren Hundehaltern Kontrolltraining, den Ausgleich von Bedürfnissen und artgerechte Beschäftigung. Dafür müssen die Halter jedoch auch erst einmal wissen, was bei ihren jagdbegeisterten Hunde überhaupt passiert, wenn diese in Sekundenschnelle aus dem Häuschen geraten. Die Puzzleteile, die aufeinanderfolgen, sind immer dieselben. Wenn auch je nach Individuum und Hundetyp unterschiedlich stark ausgeprägt: Es beginnt beim Orientieren, Suchen und Ausschau halten, dann folgen Fokussieren, Belauern und Vorstehen und schließlich das Anschleichen. Bis zu diesem Punkt ist das Verhalten ihrer Hunde für die meisten Besitzer wohl noch akzeptabel. Doch dann folgen Hetzen, Packen, Festhalten und schließlich das Töten, Zerlegen und Fressen.

Wenn es darum geht, den Hunden einen übermäßigen Jagdtrieb abzugewöhnen, gibt es zum Trainingsbeginn immer eine große Frage: Wie viel Jagderfolg hatte der Hund schon und wie weit ist er vorangekommen in diesem jagdlichen Ablaufplan? „Das Problem ist, dass wir Menschen das Verhalten ganz unbewusst verstärken“, sagt Wischall-Wagner, Psychologin und Autorin. Denn jeder freut sich bestimmt, wenn das neue Familienmitglied verrückt auf das Quietschspielzeug ist und es fröhlich zerfetzen darf. „Aber da sind wir dann schon mitten in der Jagdverhaltenskette.“

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Erster Erfolg des Trainings: gucken, aber nicht jagen

Wo aber setze ich dann an, um den Hund aus diesem Jagdtunnel wieder herauszubekommen? Dafür braucht es zunächst ein Ziel, sprich: Was möchte ich, dass er nicht mehr tut? „Wenn die Ausgangslage ist, dass er Vögeln hinterherrennt, wäre es schön, wenn er diese vielleicht im Stehen nur angucken könnte“, sagt Anja Fiedler, die in Meerbusch eine Hundeschule leitet. Dann fängt man kleinschrittig an und sucht sich den schwächsten Auslöser aus. Sprich: Wenn mein Hund schon aufgeregt auf Enten reagiert, übe ich erst mal die Begegnung mit einer Amsel. Und das an einer etwas längeren Leine und in einer Distanz, in der der Hund noch nicht direkt losspringt.

Wenn der Hund die Amsel sieht und kein unerwünschtes Verhalten zeigt – also ruhig steht und guckt – gibt es ein sogenanntes Marker-Signal (ein Klicker-Geräusch oder ein Wort) und es folgt eine Belohnung. Das muss nicht unbedingt ein Leckerchen sein! Sinnvoller sei es, eine Belohnung auszutüfteln, die dem Verhalten entspricht, was der Hund hätte praktizieren wollen. Im Fall des Vogels etwa das Hinterherlaufen. Daher folgt statt Leckerchen lieber ein kleines Lauer- oder Verfolgespiel. Oder aber: Ein Hund sieht ein Kaninchen, das er am liebsten packen würde – aber er bleibt stehen. „Dann gibt es ein Markersignal und ich belohne ihn mit einem Zergelspiel.“ Der Hund lernt auf diese Weise, dass sich das Warten lohnt. Klappt die erste Stufe des Trainings gut, muss dieses Verhalten bei steigender Ablenkung trainiert und gefestigt werden.

Jagdtrieb beim Hund: Halter brauchen Zeit und Geduld

Alexandra Wischall-Wagner geht noch einen Schritt weiter: „Mein Ansatz ist, es soll den Hunden eher egal werden, was sie sehen.“ Ganz gleich, ob es ein Kind auf dem Roller oder ein Hase sind. Das Rezept ihrer Ausbildung lautet: „Bindung, Impulskontrolle und Auslastung.“ Und das braucht Zeit und Geduld. Bei einem neuen Hund muss man zunächst zur Vertrauensperson werden, bevor man Grenzen setzen kann.

Wischall-Wagner ist keine Freundin von Zerr- und Ballspielen. „Wenn man seinem Border Collie zwei Stunden Bälle wirft, um ihn zu beschäftigen, ist das die ganze Zeit nur unkontrolliertes Jagdverhalten: Hetzen, Packen, Hetzen, Packen.“ Für eine bessere Auslastung sorge Apportiertraining, Fährtenarbeit oder Mantrailing. Und wenn ein Hund partout auf Bälle steht, sollte man sie ihm lieber verstecken und ihn suchen lassen. „Die trägt er dann ganz kurz und es wird wieder getauscht.“

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Ein ausgeglichener Hund zeigt ausgeglichenes Verhalten

Wichtig ist auch die psychische Verfassung des Hundes. „Wenn sich der Hund unwohl fühlt, fällt uns das immer auf die Füße“, weiß Anja Fiedler. Denn ein Hund, der Trennungsangst hat und zuvor stundenlang alleine war, geht schon vollkommen gestresst ins Feld. „Dann ist er besonders empfänglich für jegliche Reize – sucht und stöbert lieber, statt mit seinem Menschen zu kooperieren.“

Übrigens: Mit stundenlangem Training und immer neuen Ausbildungsgruppen kann man seinen Hund auch überfordern. Sinnvoller ist es, die Übungen kleinteilig in die täglichen Spaziergänge einzubauen.

Mit Material der dpa

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